Bei Modellen im Experiment handelt es sich nicht um eine klar definierte Modellart. Ob ein Modell zum Teil eines Experiments oder Versuchs wird, ist einzig der funktionalen Einbettung geschuldet und nicht am Objekt selbst ablesbar.
Modellversuche lassen sich bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen (Steinle/Rammer 2007, 18). Wahrscheinlich sind sie aber viel älter. Dass der Mensch mit Miniaturen experimentiert, um Erkenntnisse für seine geplanten Vorhaben zu erlangen, kann dabei wissenschaftliche oder ökonomische Gründe haben und nicht zuletzt der Vorbeugung von Gefahren dienen.
Zu den ersten beschriebenen Versuchen mit Modellen lassen sich neben geologisch-tektonischen Themen vor allem Maschinenmodelle im Allgemeinen und hydrotechnische im Besonderen anführen. Das 18. Jahrhundert bietet dafür eine Fülle von Beispielen. So stellten Konstrukteure an Experimentalmodelle unter anderem die Frage nach dem geeigneten Antrieb von Wasserrädern (Steinle/Rammer 2007, 17).
Der österreichische Jesuit und Professor für Mechanik und Mathematik an der Universität in Wien Joseph Walcher (1718-1803) setzte sich 1774 in zwei Zeitschriftenaufsätzen sehr kritisch mit solchen Maschinenmodellen auseinander. Sein Resümee fiel nüchtern aus: Er plädierte zwar für die Nutzung von Modellen, wies aber in 60 Paragraphen, bei Nichtbeachtung der Eigenschaften von Miniaturen, die eingeschränkte Aussagekraft dieser Hilfsmittel nach. Zugleich nahm er bereits vorweg, was seit dem 20. Jahrhundert z.B. durch die Reynolds-Zahl für die Strömungslehre oder die Froude-Zahl für die Hydrodynamik zum wissenschaftlichen Selbstverständnis gehört, nämlich dass eine Kenngröße die Annäherung vom Modell auf den realen Gegenstand ermöglicht. Damit konnten wichtige Fragen am Modell experimentell erforscht und anschließend mathematisch berechnet auf den realen Gegenstand angewendet werden.
Heute lassen sich die von Walcher noch beschriebenen Probleme der Abstraktion vom Modell auf den zu konstruierenden Gegenstand vermeiden. Jahrhunderte lange Forschung an Modellen und Beobachtungen der “realen Welt” führte zu mathematischen Verfahren, die es heute bereits gestatteen, weniger komplexe Systeme wie das Äußere eines Autos vollständig am Computer zu konstruieren. Aber in vielen, vor allem naturtechnischen Bereichen, wird nach wie vor am plastischen Modell geforscht.
Noch deutlicher wird die anhaltende Notwendigkeit von Modellexperimenten bei Untersuchungen zu tektonischen Faltungen, die sich bis ins 18. Jahrhundert datieren lassen (Brandstetter 2011). Diese Prozesse sind, im Gegensatz zu ihren sichtbaren Folgen, wie z.B. Gräben oder Spalten, in der Natur nur selten zu beobachten: entweder ist die Präsenz des Forschenden bei solchen Ereignissen nicht herzustellen oder aber ihre zeitliche Dimension macht eine Beobachtung vor Ort hinfällig. Der Physiker Johann Georg Koenigsberger reißt in „Das experimentelle und theoretische Studium des Faltungsvorganges in der Natur“ in der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“ von 1924 die Geschichte dieser Untersuchungen an. Dieser Forschungsüberblick weist auf Prozesse, Probleme und Erkenntnisse von Modellexperimenten wie z.B. die Wahl von geeigneten Materialien und Maßstäben für die Versuche hin.
Der Geologe Hans Cloos steht stellvertretend für eine Reihe von Geowissenschaftlern und Physikern, die im Labor tektonische Vorgänge mit unterschiedlichsten Materialien und Apparaturen simulierten. Dass Modellexperimente dieser Art noch heute Teil der Forschung sind, zeigt exemplarisch ein im Jahr 2010 im Journal of the Geological Society of India erschienener Artikel über „Clay smear processes in mechanically layered sequences – results of water-saturated model experiments with free top surface“, der über die neueste Forschung zum Thema geologischer Faltungsvorgänge Auskunft gibt. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass trotz moderner Computertechnik noch immer mit physikalischen Modellen geforscht wird. In Deutschland wird diesbezüglich im Lehr- und Forschungsgebiet für Geologie – Endogene Dynamik an der RWTH Aachen gearbeitet. Die so genannten Sandboxexperimente werden auch per Video festgehalten. Diese Art der Dokumentation hat Tradition: Bereits Hans Cloos zeichnete seine Experimente filmisch auf. Diese Lehrfilme finden sich heute im Bundesarchiv.
Das DNS-Modell der Forschergruppe um James Watson und Francis Crick bietet ein weiteres Beispiel für den erfolgreichen Einsatz eines Modells im Experiment. Mit einfachen Mitteln konnten hier Ideen und Gedanken entwickelt und wieder verworfen werden. Die Arbeit mit dem Modell hatte Vorteile gegenüber dem Erstellen von Skizzen.
Welche Form ist für ein Forschungsmodell charakteristisch? Bei der Betrachtung von Flugzeug- oder Schiffsrümpfen für Strömungstests oder Experimentalanordnungen im Labor scheinen Attribute wie ‘schnörkellos’, ‘unästhetisch’ oder ‘funktional’ auf die Gestalt der Objekte zuzutreffen. Was aber ist mit dem DNS-Modell? Hier ist die Ästhetik Teil der Lösung, da Symmetrien die Grundlage für die Lösung des wissenschaftlichen Problems boten. Die Gemeinsamkeit der oben genannten technischen Modelle und des DNS-Strukturmodells findet sich in ihrer Kurzlebigkeit. Sobald das Experiment beendet ist, die Ergebnisse feststehen und der Versuchsaufbau „seine Schuldigkeit“ getan hat, wird das Modell zum Staubfänger und verschwindet meist unauffällig.
Auch wenn in der Regel allein das Interesse an den Ergebnissen die Nutzung der Modellexperimente bestimmt: Die Dokumentation des Erkenntnisprozesses ist für die Nachvollziehbarkeit und für weitere Forschungen äußerst relevant. Der Mathematiker Ludwig Prandtl wusste darum. Er beschrieb seine Modellversuche für den Flugzeugbau im Windkanal der Aerodynamischen Versuchsanstalt zu Göttingen auf mehreren hundert Seiten, wobei er auch auf den Bau der Modelle, deren Aufhängung und Probleme hinwies.
Diese Versuche und Experimente, ihr Scheitern und ihr Funktionieren, führten im Laufe von Jahrhunderten zu verlässlichen Kenntnissen, die im digitalen Zeitalter in Computerprogrammen ihre Umsetzung und Anwendung finden. Noch ist aber die Zeit der Experimente am Modell nicht vorbei. Nach wie vor unternehmen Geologen, Ingenieure und andere Wissenschaftler in Laboren oder Windkanälen Experimente, um realen Situationen so nahe wie möglich zu kommen.